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Datum: 26.01.2024

Zu den Schicksalen hinter den Stolpersteinen

Landkreis legt erstmals eine Broschüre zu allen verlegten Steinen in Oberhavel vor / Neuerscheinung erzählt die Geschichten der Opfer zur Zeit des Nationalsozialismus

Stolperstein in Hennigsdorf 2024

© Steffen Leber


Sie sind das größte Mahnmal weltweit. Mehr als 100.000 Stolpersteine sind seit 1992 in 26 Ländern Europas und knapp 1.270 Kommunen Deutschlands verlegt worden – 123 Stolpersteine erinnern in Oberhavel an Menschen, die von den Nationalsozialisten vertrieben, deportiert und ermordet wurden. Ihre Schicksale sind Teil der vom Landkreis jetzt herausgegebenen Broschüre „Stolpersteine im Landkreis Oberhavel“. Die Erarbeitung hatte der Kreistag beschlossen. Mit der Neuerscheinung liegt erstmals eine Zusammenfassung aller in Oberhavel verlegten Stolpersteine vor. Auf 115 Seiten sind die Geschichten der Opfer nachgezeichnet – Geschichten aus Fürstenberg, Gransee, Neuglobsow, Zehdenick, Liebenwalde, Freienhagen, Liebenberg, Kremmen, Oranienburg, Hohen Neuendorf, Borgsdorf, Bergfelde, Glienicke, Hennigsdorf, Velten und Schwante. Die Broschüre liefert zudem eine geschichtliche Einordnung und beschreibt weitere Gedenktafeln und -steine für die Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft im Landkreis.

„Stolpersteine erinnern uns an jedes einzelne Schicksal. Sie bringen Biografien nach Jahrzehnten ins Bewusstsein zurück. Sie erinnern uns auf unseren täglichen Wegen an die Opfer des Nationalsozialismus. Sie sind aber auch Warnung, zu welchen Gräueltaten Menschen imstande sind. Die Erinnerung wach zu halten, bleibt eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, denn Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit sind leider bedrückend aktuelle Probleme in unserer Gesellschaft“, sagt Landrat Alexander Tönnies anlässlich der Veröffentlichung. Er spricht den Menschen, die sich für Stolperstein-Verlegungen engagiert und an der neuen Broschüre mitgewirkt haben, ausdrücklich seinen Dank aus. Ein Dank richtete der Landrat auch an Sabine Kalinowski, die federführend die Redaktion der Broschüre übernommen hatte. „In den kommenden Jahren werden sicher weitere Schicksale aufgearbeitet und weitere Stolpersteine in unserem Landkreis dazukommen. Ich bin mir sicher, dass viele Initiativen bereits gestartet sind“, so Tönnies.


Stolperstein in Hennigsdorf 2024

© Steffen Leber


Die Stolperstein-Broschüre ist in der digitalen Ausgabe ab sofort auf der Internetseite remo.oberhavel.de/stolpersteine abrufbar. 1000 gedruckte Exemplare stellt der Landkreis unter anderen den weiterführenden Schulen in Oberhavel, den Gedenkstätten und Touristinformationen zur Verfügung.

Eines der frisch gedruckten Exemplare brachten Alexander Tönnies und Holger Mittelstädt, Dezernent für Bildung, Kultur und Sport, am Freitag, 26.01.2024, mit in die Marwitzer Straße nach Hennigsdorf. Sie trafen sich dort mit Vertreterinnen und Vertretern des Hennigsdorfer Aktionsbündnisses Lebendiger Teilhabe HALT und der SPD-Ortsgruppe zum Putzen des Stolpersteins im Gedenken an Heinrich Bartsch, der Mitglied in Widerstandsgruppen der KPD war und im Oktober 1944 in Sachsenhausen ermordet wurde.

Zum Leben und Schicksal von Heinrich Bartsch und acht weiteren Verfolgten, denen in Hennigsdorf Stolpersteine gewidmet sind, hatte die Stadt bereits eine eigene Broschüre veröffentlicht und unterstützte nun die Neuerscheinung des Landkreises – ebenso wie Vertreterinnen und Vertreter anderer Kommunen, aus Stadtarchiven, von Geschichtsvereinen sowie lokalhistorisch engagierte Menschen aus Oberhavel.


Stolpersteine in Oranienburg 2024

© Landkreis Oberhavel/Tony Lokat


Am Freitagvormittag hatte Holger Mittelstädt zudem die Mahnmale in der Nachbarschaft seines Dienstsitzes in der Bernauer Straße 61 in Oranienburg geputzt. Sie erinnern an die Familie Tannenbaum, die den Holocaust überlebte, weil sie nach Ecuador und in die USA floh. „Sie musste ihre Heimat aufgeben, Liebgewordenes und Freunde zurücklassen. Lassen wir nicht zu, dass auch heute wieder Menschen aus Deutschland vertrieben werden sollen. Seien wir mutig und wehrhaft, wenn andere Menschen von Remigration sprechen, aber Deportation meinen“, sagte Holger Mittelstädt. Auch die Geschichte der Familie Tannenbaum ist Teil der neuen Stolperstein-Broschüre.

Hintergrund
Jeder Stolperstein entsteht in Handarbeit. Bildhauer Gunter Demnig erinnert mit ihnen an Opfer des NS-Herrschaft – und zwar dort, wo sie zuletzt lebten. Der Stolperstein mit dem in Messing geschlagenen Namen, Geburts- und Sterbetag der Verfolgten soll zum Denken anregen. In den vergangenen 30 Jahren hat Gunter Demnig den größten Teil der Stolpersteine selbst verlegt. Um die Erinnerung an Millionen Opfer wachzuhalten, die Ideen und das Projekt zu sichern, hat der Künstler die Stiftung – SPUREN – Gunter Demnig gegründet.

www.stolpersteine.eu