Sprungziele
Inhalt
Datum: 01.11.2021

150 Jahre Landwirtschaftsschule Luisenhof des Landkreises Oberhavel

Festakt würdigt zugleich den 100. Jahrestag am Standort / Meisterinnen und Meister der Jahrgänge 2020 und 2021 geehrt

150 Jahre Landwirtschaftsschule Luisenhof des Landkreises Oberhavel.

© Landkreis Oberhavel

Ganze Generationen von Landwirten haben hier ihre Ausbildung absolviert: Am Montag, dem 01.11.2021, hatte die Landwirtschaftsschule Luisenhof des Landkreises Oberhavel gleich doppelten Grund zum Feiern. Neben dem 150. Jubiläum des Bestehens der Landwirtschaftsschule konnte die Einrichtung zugleich den 100. Jahrestag am namensgebenden Standort auf dem Luisenhof in Oranienburg begehen.

Landrat Ludger Weskamp und Schulleiterin Gudrun Glawe begrüßten als Gäste unter anderem Oberhavels Kreistagsvorsitzenden Dr. Wolfgang Krüger. Bei dem kleinen Festakt, der am Standort in der Tiergartenstraße stattfand, gab es auch Einblicke in die Historie der Einrichtung und ehemalige Meisterinnen und Meister plauderten aus ihren Erinnerungen an die Schule. Anschließend nahmen die neuen Meisterinnen und Meister der Jahrgänge 2020 und 2021 ihre Ehrungen in Empfang.

„Viele Menschen aus Oberhavel, dem Umland und sogar fernen Regionen und Ländern fühlen sich mit der Landwirtschaftsschule Luisenhof verbunden“, sagte Landrat Weskamp. „Generationen von Landwirtinnen und Landwirten erhielten hier ihre Fachausbildung und Generationen von Lehrkräften wirkten als Mittler und als Vorbilder. Heute stellt sich die Schule den Veränderungen unserer Zeit. Denn der Wandel zu einer umwelt- und tierfreundlichen sowie ressourcenschonenden Landwirtschaft ist auch in Oberhavel in vollem Gange.“ 1871 eröffnet, war die Landwirtschaftsschule schon in ihren Anfangsjahren ein voller Erfolg. Beleg dafür sind Schülerlisten aus dem Jahr 1910: Dort sind Lernende aus Holland bis Kamerun verzeichnet.

Egmont Hamelow, Dezernent für Bauen, Wirtschaft und Umwelt ergänzt: „Die Landwirtschaft befindet sich seit vielen Jahren in einem stetigen Wandlungsprozess. Diese große und für die Unternehmen der Branche herausfordernde Aufgabe zu bewältigen – dabei will die Landwirtschaftsschule mit ihren Ausbildungsangeboten unterstützen. Dafür braucht die moderne Landwirtschaft aber auch ein modernes Umfeld, zu dem ein schnelles Internetangebot ebenso zählt wie eine gute Infrastruktur. Auch dafür sieht sich der Landkreis in der Verantwortung und arbeitet kontinuierlich daran, beste Voraussetzungen für seine ländlichen Regionen zu schaffen.“

Die Landwirtschaftsschule Luisenhof leistet dafür ihren Beitrag. Heute ist die Institution eine moderne Einrichtung für die Facharbeiter- und Meisterqualifizierung und bildet unter anderem Hauswirtschafterinnen und Hauswirtschafter, Landwirtinnen und Landwirte sowie Pferdewirtinnen und Pferdewirte aus. Zugleich sichert sie die Lehrausbildung in den Berufen der Landwirtschaft. Denn inzwischen sind Spezialisten gefragt, um mit modernsten Mitteln wirtschaftlich sinnvoll gesunde und nahrhafte Lebensmittel herzustellen, zu vermarkten und anzubauen.

„Umweltschutz, artgerechte Tierhaltung und Direktvermarktung sind deshalb weitere wichtige Themen, für die unsere Bildungseinrichtung Angebote bereithält“, erklärt Schulleiterin Gudrun Glawe. „Wir sind stolz, in jedem Jahr bis zu 37 Kurse anbieten zu können. Etwa 650 Teilnehmende erlangen bei uns jährlich einen qualifizierten Abschluss. Seit 1990 nutzten bereits mehr als 11.500 in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum Tätige die Bildungsangebote. Der langjährigen Tradition unserer Landwirtschaftsschule fühlen wir uns dabei verpflichtet.“

Damit für die künftige Arbeit der Landwirtschaftsschule beste Voraussetzungen vorhanden sind, wird der Landkreis im Zuge des Neubaus für das Technik- und Ausbildungszentrum (TAZ) für den Brand- und Katastrophenschutz auch der Landwirtschaftsschule neue Räume zur Verfügung stellen. Mit dem Neubau ergeben sich somit auch für die Landwirtschaftsschule neue Perspektiven für die Angebotspalette. Dabei ist es der Einrichtung wichtig, ihre langjährige Geschichte zu bewahren. In das neue, hochmoderne TAZ wird der Landkreis bis zu 15 Millionen Euro investieren. Bis Ende 2023 ist die Fertigstellung geplant.

Aus der Geschichte der Landwirtschaftsschule

Als Begründer einer selbstständigen landwirtschaftlichen Betriebslehre als wissenschaftlicher Disziplin gilt Albrecht Daniel Thaer (1752-1828). Thaer verbesserte aber nicht nur durch seine Lehren über wirtschaftliche Aspekte die Situation der Landwirte (zum Beispiel zur Bedeutung des Humus, Abschaffung der Dreifelderwirtschaft), er trug zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch maßgeblich zu den Bauernbefreiungen in Preußen bei. Thaers Lehren sind daher von Beginn an die Basis für den Unterricht an der heutigen Landwirtschaftsschule Luisenhof.

Gegründet wurde sie am 01.11.1871 von dem Wanderlehrer Otto Schönfeld in Wriezen an der Oder als „Landwirtschaftliche Lehranstalt“ – zehn Jahre nach Schließung der Thaerschen Lehranstalt im Nachbarort Möglin. 1879 zog die Institution nach Oranienburg um, seit 1921 – seit genau 100 Jahren – befindet sie sich am heutigen Standort „Luisenhof“.

Aus der Schülerzeitschrift, dem „Luisenhofer“, von 1925 geht hervor: Es gab damals 46 Unterrichtsfächer – von Ackerbaukunde bis Volkswirtschaftslehre. Die Schüler teilten sich zu der Zeit in vier „Leistungsklassen“: In die „Vorklasse“ (mit 15 Fächern) gingen diejenigen, die noch Defizite in Grundfertigkeiten wie Lesen, Schreiben oder Rechnen hatten, von „Unterklasse“ über „Oberklasse“ bis „Ackerbauklasse“ stiegen die jeweiligen Anforderungen. In der Ackerbauklasse standen 19 Unterrichtsfächer auf dem Lehrplan. Auch unter dem Eindruck schwieriger sozialer und finanzieller Verhältnisse und schließlich der Weltwirtschaftskrise setzte die Institution ihre Aufgaben fort. 1929 nahm die Melkerschule den Betrieb auf und es gab seit 1925 erstmals Hauswirtschaftslehrgänge für junge Frauen.

Von den politischen Einflüssen des Nationalsozialismus blieb die Landwirtschaftsschule nicht verschont. Nachforschungen zeigen, dass im Rahmen einer Verfügung des Reichsnährstandes von 1934 die Landwirtschaftsschule hier – wie alle solchen Institutionen im Reich – einen neuen Namen erhielt. Die Bezeichnung war nunmehr „Bäuerliche Werkschule und Wirtschaftsberatungsstelle“. Zum Ende des Zweiten Weltkrieges kam der Unterricht im Luisenhof vorübergehend ganz zum Erliegen.

Nach dem Einzug der Roten Armee wurde der Luisenhof zunächst von polnischen, später russischen Soldaten belegt. Letztere errichteten vor Ort ein Lazarett. Gärtnerei und Gutsbetrieb arbeiteten für die russische Armee. Am 01.11.1945 wurde die Lehranstalt wiedereröffnet.

1949 erweiterte sich das landwirtschaftliche Ausbildungsangebot in Oranienburg: Die bisherige Lehranstalt wurde mit der höheren Landbauschule Potsdam zusammengelegt. Damit begann auch die Qualifizierung von „staatlich geprüften Landwirten“. Die Melkerschule und damit die Melkerausbildung sowie die Facharbeiterausbildung existierten als Teil der Landwirtschaftsschule weiter. Zehn Jahre später erfolgte per staatlichem Dekret die Einrichtung einer Kreislandwirtschaftsschule – ebenfalls im Luisenhof.

Mit der Wiedervereinigung ergaben sich für die Landwirtschaftsschule Oranienburg-Luisenhof neue Herausforderungen. Alle Nachfolgeeinrichtungen der Kreislandwirtschaftsschulen übernahmen jetzt auch Aufgaben, die bis zur Gründung der Fachschulen 1949 die damaligen Landwirtschaftsschulen auf der Ebene der Facharbeiter, Meister und Spezialisten ausübten.

Vor dem Hintergrund der Vorbereitungen zur Kreisgebietsreform wurde durch Kreistagsbeschluss im Mai 1993 festgelegt, dass die ländliche Berufsentwicklung und -förderung dem Landwirtschaftsamt zugeordnet wird. Auf diese Weise wurde das Ausbildungsangebot im Luisenhof in Verantwortung des Landkreises Oberhavel auf zukunftssichere Füße gestellt.

Wer mehr über die 150-jährige Geschichte erfahren möchte, kann in dem druckfrischen Buch „150 Jahre Landwirtschaftsschule Oranienburg-Luisenhof“ nachlesen. Autor ist Jörn Lehmann. Das Buch wurde mit Unterstützung des Fördervereins der Landwirtschaftsschule herausgegeben und ist in der Einrichtung vor Ort erhältlich.